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Letzte Woche hatte ich mich von meiner Reisebegleitung verabschiedet – doch bedeutet dies, dass ich von nun an allein sein würde? Im Gegenteil! Noch auf dem Gelände des Flughafens arrangierte ich bereits mein Abendprogramm: Dank einer Internetseite namens CouchSurfing (der Name ist Programm) ist es heutzutage keine Schwierigkeit mehr, gleichgesinnte Kosmopoliten aus aller Welt zu treffen. So durfte ich den Abend gemeinsam mit Nahín verbringen, der bereits manchen Reisenden auf seinem Sofa beherbergt hatte und mich freundlich zu sich nachhause einlud. Da dies meine erste derartige Erfahrung war, hatte ich zu Beginn noch teilweise ein mulmiges Gefühl. Total zu Unrecht, wie sich bei den vielen Bieren und Diskussionen danach zeigen sollte.
Meine allererste CouchSurfing-Begegnung mit Nahín
Jeden Sonntagmorgen findet in Guadalajara die Via ReCreativa statt. Dazu werden ein Paar der grossen Hauptstrassen im Centro für den Autoverkehr gesperrt, damit sie von Joggern, Velölern und Hündelern bevölkert werden können. Auch ich schloss mich der rennenden Masse an, allerdings nur um ein Velo aufzutreiben: Da ich etwas spät aufgestanden war und dennoch umbedingt an einer Velo-Museums-Tour teilnehmen wollte, hetze ich nun ohne Frühstück im Magen durch die Strassen der Stadt. Trotz ein paar Missverständnissen und dank der verlässlichen Mexikanischen Verspätung schaffte ich es doch noch irgendwie in die Gruppe von circa 15 Leuten aufgenommen zu werden. Weil in diesen Tagen auch noch Día de los Muertos vor der Tür stand, wurden uns vor der Abfahrt zuerst noch traditionell die Visagen geschminkt. Danach konnte es 45 Minuten nach Terminplan endlich losgehen mit einem Besuch im Museo de las Artes, wo wir erst die hauseigene Wandbemalung bestaunen und danach Goyas weniger bekannten Werke bewundern durften.
Da hat jemand schon bessere Tage gesehen…
Die imposante Wandbemalung des Mueseums erzählt eine traurige Geschichte über Mexikos Gesellschaft
Führung durch die weniger bekannten Werke Goyas
Anschliessend bestiegen wir die Räder um noch kurz eine Runde bis zum Denkmal der Minerva zu drehen, anscheinend die lokale Schutzgöttin der Stadt. Unterwegs erfuhr ich noch einige interessante Anekdoten zum Gesehenen, wurde dann aber des Hungers wegen doch irgendwann etwas ungeduldig. Um drei Uhr Nachmittags war es dann endlich soweit und ich füllte das Loch in meinem Magen mit der lokalen Version der geliebten Torta, die hier Torta ahogada heisst. Das Adjektiv – wörtlich übersetzt “ertrunken” – bezieht sich dabei auf das in Sauce getränkte und zu Brei zerfallene Brot des Sandwiches. Meinen Hungerast konnten auch die scharfen Inhalte nicht stoppen, weshalb mir nach getaner Arbeit ordentlich die Lippen vibrierten. Die nördliche Version der Torta aus Juárez ist mir da deutlich lieber.
Ausnahmsweise auf keinem Mountainbike unterwegs
Am späteren Nachmittag verliess ich die wunderbar zentral gelegene Wohnung abermals, um mich mit Emmanuel zu treffen. Seinem Vorschlag, das Konzert einer französischen Electro-Pop Sängerin zu besuchen, folgte ich sehr gerne. Dieses war dank seiner super Inszenierung nicht nur eine Ohren- sondern auch eine Augenweide. Was mich hingegen ein bisschen speziell dünkte, war die grosse Mehrheit an schwulen Pärchen im Publikum. Doch machte ich mir dazu vorerst keine weiteren Gedanken.
Die gute Inszenierung täuschte über die Playback-Musik hinweg
Als ich mich am folgenden Abend jedoch wiederum mit einem Typen namens Brandon traf, der auf der Onlineplattform besonderes Interesse an mir gezeigt hat, dämmerte es langsam bei mir. Abermals hatte ich einen lustigen Abend mit lokaler Brauereikunst und super Gesprächen über sexuelle Präferenzen. Dabei scheute ich mich auch nicht, Brandon ganz direkt zu fragen, weshalb er mich umbedingt treffen wollte. Hierbei kam heraus, dass er sich wegen einer Formulierung in der Beschreibung meiner Persönlichkeit auf der Website Hoffnungen bezüglich meiner Willigkeit gemacht hatte. Dort hatte ich mich nämlich als “open-minded” vorgestellt, was sich jedoch auf ziemlich alles ausser meiner sexuellen Präferenz bezieht. So kam es, dass ich während der paar Tage in Guadalajara wohl das begehrteste Stück Importfleisch auf dem Schwulenmarkt war. Um zukünftigen Missverständnissen vorzubeugen, ist in meinem Profil nun die Rede von “open-minded hetero”.
Füllbild von Guadalajara, da ich zum Thema kein geeignetes Foto besitze…
In der Zwischenzeit war der sagenumwobene Día de los Muertos immer näher gerückt und ich wollte die Tradition umbedingt an ihrem Ursprung erleben. Dieser Ursprung lag nicht weit von meinem aktuellen Aufenthaltsort entfernt, weshalb ich pünktlich zum 1. November den Bus in Richtung der Stadt Morelia bestieg. Nach vierstündiger Fahrt erreichten wir die Hauptstadt des Nachbarstaates Michoacán, um sogleich einen kleineren Bus nach Pátzcuaro zu besteigen. Auf der Fahrt machte ich Bekanntschaft mit einer Gruppe von europäischen Austauschstudenten, die das gleiche Ziel verfolgten wie ich: die heilige Nacht auf dem ultra-heiligen Inselchen Janitzio zu verbringen. Zusammen schafften wir es dann auch irgendwie, trotz unglaublicher Menschenmasse Tickets für die Überfahrt zu besorgen. Kurz darauf sassen wir auch schon auf der Fähre und glitten langsam in Richtung des hell erleuchteten Ziels.
Übersicht über die akutelle Route in Schwarz
Durch die Schwärze der Nacht in Richtung des Lichtpunktes Janitzio
Auf dem vorherigen Bild gut sichtbar: Das Monument auf dem höchsten Punkt der Insel
Auf der Insel folgte dann die Ernüchterung: viel Kommerz und wenig Tradition. Die Massen schoben sich nur langsam durch die engen Gässchen, in denen alles mögliche mit hundertfarbigen Totenköpfen verkauft wurde. Besonders unangenehm kam ich mir bei der Durchquerung des lokalen Friedhofes vor, auf dem die paar Bewohner Janitzios die Nacht in der Nähe ihrer verstorbenen Verwandten verbrachten – fotografiert von abertausenden Touristen.
Komplett überlaufener Friedhof
Ja, auch ich war Teil des Problems
Nach einigen Runden und Stunden auf der Insel kam nun langsam die Müdigkeit ins Spiel. Um die Nacht durchzustehen musste nun dringend eine Ablenkung her. Auch in diesem Moment kam mir CouchSurfing zu Hilfe: Ein paar Stunden zuvor hatte ich mich mit einer Kolumbianerin und einer Mexikanerin zum Treffen verabredet und nachdem wir uns nun endlich gefunden hatten, lehrten mich die beiden verschiedene Tanzstile, was mir einigen Spass bereitete. In der einzigen open-air Disco der Insel flogen so die Stunden dahin, bis sich langsam der Horizont erhellte und endlich den nächsten Morgen verkündete.
Morgenstimmung auf Janitzio
Die letzte Hürde bestand schliesslich darin, völlig übermüdet um 8 Uhr morgens eine Stunde auf die Fähre zurück ans Ufer zu warten. Dort erwartete uns ein Bus zurück nach Morelia – gleichzeitig die erste Stunde Schlaf an diesem Morgen. Weitere folgten danach bei der mexikanischen Studentin, die uns freundlicherweise ihr Bett überliess. Zum Abschluss meiner Día de los Muertos-Festlichkeiten spazierten wir am Nachmittag zu dritt noch etwas in der Altstadt umher. In manchen öffentlichen Gebäuden fanden sich dort reich geschmückte Altäre und Bildnisse aus gefärbten Holzschnitzeln und Blumen.
Beglückende Farbenvielfalt in den Höfen der öffentlichen Schulen
Mit diesem farbigen Eindruck verliess ich den Bundesstaat Michoacán wieder in Richtung Guadalajara, wo ich mein schweres Gepäck zurückgelassen hatte.
PS: Um den mexikanischen Hype um Día de los Muertos zu verstehen, empfehle ich wärmstens den Pixar-Film Coco , der mich echt umgehauen hat.
PPS: Ausserdem interessant: Die Eröffnungssequenz des letzten James Bond Filmes zeigt eine gigantische Parade zur Feier dieser Tage in Mexikos Hauptstadt. Tatsächlich gibt es eine solche jedoch nur gerade wegen des Filmes, damit die hergereisten Filmfans nicht enttäuscht werden.
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